Beim Umstieg auf eine vegane Ernährung werden alte Gewohnheiten abgelegt und neue Gewohnheiten antrainiert. Mit der Zeit weiß man immer besser Bescheid, was man essen und kochen kann, welche Nährstoffe und Produkte man in die Ernährung integrieren soll, welche Alternativen es gibt. Und vor allem erkennt man, ob man diese Lebensweise auch langfristig umsetzen kann und will.
Auch körperlich merkt man eine Veränderung. Vielleicht wird die Haut besser oder man verliert Gewicht oder hat mehr Energie.
Somit unterscheidet sich das vegan werden nicht sonderlich von einer Umstellung auf zB eine zuckerfreie oder glutenfreie Ernährung.
Das hab ich zumindest gedacht, als ich mich dazu entschieden hab, vegan zu werden.
Es gibt allerdings einen Aspekt, den man sich als Fleischkonsument nicht vorstellen kann und den ich auch als Vegetarierin noch nicht wirklich verstanden hab.
So viele Erfahrungsberichte von VeganerInnen sprechen von einem enormen mindset change. Also einer inneren Veränderung, fast so etwas wie einer Bewusstseinserweiterung.
Hört sich jetzt mega esoterisch an und als absolut nicht esoterischer und sehr wissenschaftshöriger Mensch bin ich bei solchen Ansagen immer SEHR skeptisch. Lass mich bitte in Ruhe mit deinem Tschutschu.
ABER. ES. STIMMT. EINFACH.
Vegan werden verändert dich. Nicht nur äußerlich, nicht nur körperlich. Sondern vor allem auch innerlich.
Seit ich vegan bin, hab ich das Gefühl irgendwie viel mehr im Reinen zu sein. Mit der Natur. Mit den Tieren. In meiner ganzen Beziehung zu meiner Umwelt und auch mit mir selbst.
Ich hab viel mehr Bewusstsein dafür, wie und was ich konsumiere, ich denke viel mehr nach, welchen Platz ich in der Welt einnehmen will, wie ich mich anderen Lebewesen – Menschen und Tieren – gegenüber verhalten will. Und ich hab irgendwie das Gefühl aufgewacht zu sein in meinem richtigen Leben. Ich fühle mich – wie die coolen Kids heute sagen würden – „woke“.
Ich weiß, das klingt alles mega komisch und dieses Lebensgefühl, dass sich mit dem Veganismus einstellt ist auch wirklich schwer zu beschreiben und vor allem auch schwer zu verstehen, wenn man das selbst noch nicht erlebt hat.

Und weil mir die reine Erkenntnis, dass ich mich anders fühle, nicht vollständig reicht und ich auch gerne in der Lage wäre, das erklären zu können , hab ich natürlich hinterfragt, wo denn dieses Gefühl herkommt.
Also hab ich eine groß angelegte qualitative Studie gestartet und Interviews mit insgesamt 27 VeganerInnen durchgeführt.
Okay nein, hab ich nicht. Hab ja nicht ewig Zeit. Ich hab nur mich befragt 🙂 Und bei dieser ausführlichen Befragung von mir, bin ich auf ein paar Theorien gekommen, wieso sich Veganismus im Gegensatz zu anderen Ernährungsänderungen so stark auf das Bewusstsein auswirkt.
Brechen mit Fremdbestimmtheit
Die Art wie und was wir essen ist zu einem sehr großen Teil kulturell und durch Traditionen bestimmt. Es gibt Länder wie Indien oder Israel, wo ein großer Teil der traditionellen Küche sehr gemüselastig und teilweise von Haus aus schon vegan ist.
Und dann gibt es die österreichische Küche, wo man die Nachspeise als Hauptmahlzeit isst oder ein Gericht nur seine Berechtigung hat, wenn eine oder mehrere Fleischsorten (looking at you Grillteller) und im besten Fall Knödel am Teller liegen.

Als wir noch hart arbeitende Bauern waren, hatte diese Ernährungsart natürlich sehr viel Sinn. Im Gegensatz zu den meisten Gemüsesorten (ausgenommen Kraut und Erdäpfel <3) gibt es Fleisch und andere tierische Produkte auch im kalten Winter und schnelle Energielieferanten waren natürlich essenziell.
Und jetzt bitte nicht falsch verstehen. Ich LIEBE die österreichische Küche und ihre endlose Anzahl an deftigen und comfort food-Gerichten.
Aber irgendwann muss man sich auch überlegen (okay, man muss nicht, aber man kann), ob die österreichische Ernährungsweise mit dem starken Fokus auf Fleisch, Milchprodukten und Eiern für das eigene Leben Sinn macht.
Als ich vegan wurde, begann ich die österreichische Essenstradition nicht nur zu hinterfragen, sondern musste sogar damit brechen.
Damit hab ich aber nicht nur mit der Tradition, sondern auch mit der Fremdbestimmtheit gebrochen.
Früher hab ich so gegessen, wie ich es gewohnt war. Ich hab die Gerichte gegessen, die halt jeder isst und hab auch gekocht, was man als ÖsterreicherIn halt so kocht. Von meiner Mama hab ich zwar von klein auf immer wieder auch unterschiedlichste, teilweise exotische Gerichte vorgesetzt bekommen, aber die österreichische Küche war trotzdem der Hauptfaktor in meiner Ernährungsweise. Ich hab mich darauf verlassen, dass man das halt so macht. So isst man bei uns, also ess ich auch so.
Ich will diese Einstellung absolut nicht verurteilen. Traditionen und kulturell bestimmte Verhaltensweisen sind wichtig für das Zusammenleben und geben auch Halt und Geborgenheit.
ABER sie waren für mich auch eine Möglichkeit dazu, mein Hirn auszuschalten und meine Entscheidungen nicht zu hinterfragen.
Als VeganerIn bin ich zur Selbstbestimmung gezwungen. Ich entscheide mich in vielen Fällen bewusst GEGEN die Tradition. Gegen die österreichische Lebensweise. Gegen das, was ich lange sehr geliebt hab und was mir so vertraut ist.
Gleichzeitig entscheide ich mich aber auch FÜR etwas. Ich entscheide mich dafür Gerichte aus unterschiedlichsten Ländern auszuprobieren. Ich entscheide mich dafür meine Ernährung nicht von Tradition diktieren zu lassen und ich entscheide mich auch dafür Möglichkeiten in den vertrauten Traditionen zu sehen, die über das hinausgehen was ich gewohnt war.
Die österreichische Küche gibt so viel mehr her als die Hausmannskost a la Schweinsbraten und Schnitzel vermittelt. Von wunderbaren Erdäpfel- und Krautgerichten, über Gemüseeintöpfe, veganisierte Knödel bis Apfelstrudel und so viel mehr. Man braucht kein Fleisch und keine Tierprodukte, um die heimische Küche richtig auszukosten.
Traditionen sind schön und gut. Aber die Fremdbestimmtheit loszulassen und die Comfortzone zu verlassen ermöglicht so viel mehr kulinarische Vielfalt und so viel mehr Bewusstsein dafür, was die eigene Kultur noch so zu bieten hat.
Kognitive Dissonanz
Ich bin der Meinung, dass alle Menschen – abgesehen von klinischen Psychopathen natürlich – im Grunde gut sind und zu Empathie und Mitgefühl fähig sind.
Keinem von uns sind andere Lebewesen egal. Keiner will anderen Schmerz zu fügen. Und keiner scheißt völlig auf die Umwelt und auf die eigene Gesundheit. Glaub ich zumindest. Prove me wrong.
Deshalb war mir natürlich bis zu einem gewissen Grad immer bewusst, dass sich der Konsum tierischer Produkte teilweise negativ auf Tiere, Umwelt und Gesundheit auswirkt.
Da ich diese Produkte aber trotzdem konsumiert hab, hat sich für mein Gehirn ein Widerspruch ergeben.
Ich habe Tiere wie Hunde und Katzen geliebt und gleichzeitig Kühe, Hühner und Schweine gegessen. Ich habe mich um das Klima gesorgt und gleichzeitig die Umwelt mit Massentierhaltung belastet. Ich habe auf meine Gesundheit geschaut und bin aber gleichzeitig das Risiko zahlreicher Zivilisationskrankheiten eingegangen.
Durch den Konsum tierischer Produkte habe ich entgegen meiner inneren Einstellung und entgegen meiner Werte gehandelt. Dadurch ist eine sogenannte kognitive Dissonanz entstanden, ein innerer Widerspruch zwischen meinem Denken und meinem Handeln.
Bevor jetzt jemand glaubt ich schreibe diese Dinge, um Fleischesser zu verurteilen, I’m not. Ich hab so lange Fleisch gegessen, das steht mir gar nicht zu. Aber es ist nunmal die Realität.
Aus diesem Grund boomen auch der Bio-Handel und der Handel mit regionalen Lebensmitteln. Diese ermöglichen nicht nur mehr Umweltschutz, Tierschutz und bessere Gesundheit, sondern schaffen zumindest eine teilweise Erleichterung dieser kognitiven Dissonanz.
Während die teilweise Erleichterung durch bewussteren Konsum natürlich schon mit positiven Emotionen verbunden ist, kann ich gar nicht beschreiben, wie unglaublich gut es sich anfühlt, wenn die Last des Widerspruchs auf einmal komplett wegfällt.
Ich hab davor natürlich kein permanentes schlechtes Gewissen beim Essen gehabt. Das wäre ja untragbar und sowas lässt sich wirklich gut verdrängen. Aber rückblickend betrachtet muss ich schon sagen, dass ich mich in vielen Aspekten einfach oft selbst belogen hab. Ich hab mein Hirn beruhigt mit Ausreden und Beschwichtigungen, um meine damalige Ernährungsweise zu rechtfertigen.
Und jetzt seit ich vegan bin ist die kognitive Dissonanz weg und mein Konsum steht nicht mehr im Widerspruch mit meinen Werten, sondern ist konform mit der Art, wie ich leben will. Und das fühlt sich ehrlich gesagt schon ziemlich geil an.
Das Gefühl der Überlegenheit
Seit ich vegan bin, hab ich das Gefühl, grundlegend besser und moralisch erhabener zu sein als andere Menschen. Und das fühlt sich nicht nur sehr gut an, sondern trägt natürlich auch zu dieser Bewusstseinsveränderung bei.
NATÜRLICH NUR EIN SCHERZ. Ist kompletter Blödsinn. Überheblichkeit ist nicht nur NIE berechtigt, sondern auch sehr unsympathisch. Und wer will schon unsympathisch sein? Ich hab 22 Jahre lang Fleisch gegessen. Ich bin vegan, du auch oder nicht. I don’t give a fuck. You do you.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass ich mich seit Beginn meines veganen Lebens sehr viel leichter, zufriedener und mit mir selbst im Reinen fühle und das ist schon ein sehr unerwarteter Nebeneffekt und wirklich mega nice.
Ich glaube auch nicht, dass es für mich einen Weg zurück aus diesem Bewusstseinszustand gibt. Also einen Weg zurück zum Tierkonsum. Darum verstehe ich auch nicht, wie manche VeganerInnen von heute auf morgen wieder zum Fleisch essen anfangen können. Ich kann mir das – zumindest zum jetzigen Zeitpunkt – einfach absolut nicht vorstellen. Ich glaub nicht, dass ich nach dem „Aufwachen“ wieder „Einschlafen“ kann. Aber sag niemals nie. Diese Entscheidung muss dann sowieso Zukunftsvicki treffen und da misch ich mich nicht ein 🙂
Besos,
